Die Digitalisierung erlebt momentan einen extremen Schub. Was früher noch undenkbar war oder belächelt wurde, macht Corona nun innerhalb kürzester Zeit möglich. Das betrifft nahezu alle Bereiche unseres Lebens. Für viele Menschen waren diese neuen digitalen Möglichkeiten in den letzten Monaten sicherlich eine Erleichterung und trugen dazu bei, die Folgen der räumlichen Distanzierung abzumildern.
Mittlerweile wird aber auch deutlich, was diese Turbo-Digitalisierung mit all ihren Telefon- und Videokonferenzen nicht ersetzen kann: Den zwischenmenschlichen Kontakt, den direkten persönlichen Austausch im Familien- und Freundeskreis und in unserem Fall die Treffen mit unseren Gruppen und Fanclubs.
Besonders in unserem Verein, der vom Selbstverständnis immer schon mehr war als ein reiner Fußballverein (FC-Familie), werden die Einschränkungen zu einer immer größeren Herausforderung und die Trennung von dem, was wir alle so lieben, fällt zunehmend schwerer.
Leere Fankneipen, leeres Stadion und demnächst auch eine leere Kölnarena?
Uns ist nicht entgangen, dass der Verein mit Blick auf unsere jährliche Mitgliederversammlung eine virtuelle Veranstaltung in Betracht zieht. Es ist legitim sich in solchen Zeiten Gedanken über Alternativen zu machen. Allerdings muss Corona keine Blaupause für sämtliche Veränderungen sein. Es war nicht alles schlecht vor Corona.
Jede Familie lebt von der Gemeinschaft, die wesentlich von räumlicher und sozialer Nähe geprägt ist. Nur so kann ein Gemeinschaftsgefühl entstehen.
Die Mitgliederversammlung ist das höchste Organ unseres Vereins und bezieht seinen hohen Stellenwert aus ihrem Charakter als Präsenzveranstaltung. Nur so kann Gemeinschaft gelebt und ein persönlicher Eindruck vermittelt werden. Nur so findet der eindrucksvolle Austausch zwischen und unter den Vereinsvertretern und den Mitgliedern statt. Nur so erlebt man diese unverwechselbare Emotionalität, die unseren Verein ausmacht.
Es stellen sich auch Fragen nach der technischen Umsetzbarkeit eines virtuellen Verfahrens. Hier ist allein schon mit der Erfahrung digitaler Abstimmungsmöglichkeiten auf vergangenen Mitgliederversammlungen Skepsis angebracht. Das Rede- und Fragerecht, eines der bedeutendsten Mitgliederrechte, gerät in Gefahr, ausgesetzt bzw. eingeschränkt zu werden. Das konnte man schon bei virtuellen Formaten anderer Vereine beobachten. Des Weiteren ist die Durchführung von Online-Wahlen äußerst kritisch zu sehen. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, gibt es erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit solcher Wahlen, u.a. von Experten des Chaos Computer Club oder durch vergleichbare höchstrichterliche Urteile. Demokratische Wahlrechtsgrundsätze einer geheimen und nachvollziehbaren Wahl können bei einer Online-Wahl nur unzureichend eingehalten werden.
Wir sehen wöchentlich neueste Meldungen von möglichen Teileinlässen in den Stadien in Größenordnungen, die die Teilnehmerzahl einer MV bei weitem übersteigen. Hygienekonzepte werden permanent auf Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst und verbessert.
Aufgrund dieser dynamischen Prozesse sollte man sich daher die nötige Zeit nehmen, um kreative Lösungen für die Durchführung einer Präsenzversammlung zu finden. Der VfB Stuttgart hat vor kurzem mit einer ähnlichen Begründung seine MV auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch unser Verein steht unter keinem Zeitdruck. Es wäre z.B. absolut satzungskonform die Mitgliederversammlung erst im 1. Halbjahr 2021 abzuhalten.
Unsere Vereinsdemokratie lebt von der aktiven Teilnahme seiner Mitglieder und steht somit im Widerspruch zu der Vorstellung einer MV auf dem heimischen Sofa.
Den Charakter der Mitgliederversammlung als reine Präsenzveranstaltung gilt es im Sinne einer nicht immer bequemen, aber dadurch umso lebendigeren Vereinsdemokratie zu bewahren!
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Bild Quelle: www.effzeh.com