Von Mäzenen und Alleinherrschern

Ist der Fußball noch zu retten? – Teil II

22. Mai 2015 Comments (0) Volkssport Fußball

Vorsprung durch Leidenschaft

Der Machtkampf bei der Volkswagen AG tobt mittlerweile nicht mehr öffentlich, sondern schwelt nur noch hinter den Kulissen. Ob bei dem Konflikt rund um die Person Martin Winterkorn Fußball ein Thema gewesen ist, ist äußerst unwahrscheinlich. Trotzdem sind die Schlagwörter „Winterkorn“ und „VW“ ein Thema im Fußball.

Die konzerneigene Fußballmannschaft nach dem Meistertitel 2009 wieder in die Spitzengruppe des deutschen Fußballs zurückgekehrt. Martin Winterkorn gilt durch seine Position in Wolfsburg und bei Bayern München als einflussreicher Funktionär. Sein Fußballinteresse gilt als verbrieft, und es ist somit nicht verwunderlich, dass der VfL als Tochtergesellschaft der Volkswagen AG großzügig unterstützt worden ist und auch weiterhin alimentiert wird. Natürlich ist die Verbindung zwischen dem VfL und VW nicht allein auf Martin Winterkorn zurückzuführen. Es wäre aber interessant zu erfahren, in welcher Liga die Wolfsburger antreten würden, sähe die Konzernspitze keinen strategischen Wert mehr in solchen Werbemaßnahmen.

Ob andere Sponsoren die finanzielle Lücke schließen würden, ist äußerst fraglich. Erst im Oktober 2014 wurde gegen die Volkswagen AG eine Bußgeldzahlung aufgrund von verbotener Verquickung von Konzerngeschäften mit einem Sponsoring beim VfL Wolfsburg verhängt. Im Klartext bedeutet dies, dass andere Unternehmen nur Geschäfte mit Volkswagen machen dürfen, wenn sie auch eine Werbebande in der örtlichen Fußballarena übernehmen. Die wenigen Fans der Volkswagenkicker werden wohl kaum für einen Fortbestand des Spielbetriebs auf dem jetzigen Niveau sorgen können. Erst vor wenigen Tagen wurde dieses Dilemma auf einer Podiumsdiskussion in Köln angesprochen. Während Traditionsvereine regelmäßig die Stadien inklusive der Gästeblöcke füllen, folgen dem VfL Wolfsburg 156 Fans nach Frankfurt. Die Problematik bezüglich der Verteilung der Fernsehgelder wurde bereits an dieser Stelle ausführlicher behandelt.

Unabhängig von diesem monetären Aspekt stellt dieser Fakt auch grundsätzlich die Existenzberichtigung der Niedersachsen in Frage. Fußball ist ein Zuschauersport. Diese These wird kaum auf Widerspruch treffen. Allerdings interessieren die Emporkömmlinge des Fußballs immer weniger Zuschauer. Das neuste Mitglied der 1. Bundesliga ist der FC Ingolstadt. Während sich im örtlichen Sportpark maximal 15.000 Zuschauer versammeln werden, ist auswärts kaum mit einem Massenandrang im Gästeblock der FCI-Fans zu rechnen. Ein besonders „prickelndes“ Duell verspricht die Paarung zwischen Ingolstadt und Wolfsburg zu werden – vermutlich muss man in diesem Zusammenhang den Begriff „Konzernderby“ einführen.

Das landläufige Interesse an einer solchen Partie dürfte aber unter null liegen. Selbst bei einem spektakulären Verlauf würde sich das Duell der Autobauer nicht ins kollektive Bewusstsein einbrennen. Diese Fußballmannschaften wecken eben keine Emotionen – Emotionen, die entstehen, wenn mehrere 10.000 Menschen in einem Stadion mitfiebern und das Ergebnis zum Gesprächsthema in der Familie, in der Schule, im Büro oder auf der Baustelle machen – und eben nicht nur beim Schichtwechsel im VW-Werk. Der VfL wird selbst durch Titelgewinne, Siege gegen die Bayern oder die Qualifikation zur Champions League niemals solche Emotionen hervorrufen. Man mag dies aus Wolfsburger Sicht als ungerecht empfinden, so ist jedoch nicht zu verleugnen, dass die „Faszination Fußball“ kaum in der Zentrale eines Automobilherstellers entsteht. Diese Faszination wurde über Jahre auch durch die Leidenschaft der Zuschauer und Fans entwickelt. Es heißt immer, dass Tradition alleine keine Berechtigung für eine Sonderbehandlung sein darf. Doch seit Jahrzehnten ist der Fußball durch solche Traditionsvereine und ihre Anhängerschaften geprägt. Diese Tatsache muss anerkannt und honoriert werden. Zuschauer, Fans und Vereinsmitglieder sind ein ganz entscheidender Maßstab. Allerdings versucht man diesen Faktor in Wolfsburg oder Hoffenheim kleinzureden oder auszublenden. Dieser Argumentation gilt es entgegenzutreten, sowohl von Seiten der Fans als auch der Funktionäre.